Aufforderung zum Tanz

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Mit dem Glauben ist es wie mit dem Tanzen. Die Musik spielt auf, der Rhythmus geht in die Füße, der erste Partner fordert eine Partnerin auf, und sie gehen auf die Tanzfläche und tanzen. Schnell folgen weitere Paare ihrem Beispiel, und bald ist die Tanzfläche voller Menschen, die sich gemeinsam im Tanz bewegen. Was mit einem oder zweien begann, ist nun zu einer gemeinsamen Erfahrung geworden. Jede und jeder ist ein Original, hat einen eigenen Stil, doch was alle verbindet, ist die Musik, der Rhythmus und die Gemeinschaft untereinander. Ja, so ist es, scheint mir, mit dem Glauben.
Nun kann ich es gut verstehen, wenn jemand einwenden möchte, dieser Vergleich sei doch wohl etwas gewagt und allzu leichtfüßig, also der schweren Frage nach dem christlichen Glauben nicht angemessen. Wir sind es in unseren Breiten eben gewöhnt, vom Glauben vor allem in grüblerischen Gedanken, mit Kummerfalten auf der Stirn und stets mit hohen geistigen Ansprüchen zu reden. Ich kann den Mann verstehen, der mitten in einer Diskussion über den Glauben sagte: Könnten Sie das bitte noch einmal für jemanden ohne Abitur sagen? Nein, er meinte kein naives, denkfaules Christentum, er hatte einfach etwas gegen einen verkopften Glauben, den viele Menschen nicht verstehen und von dem sie sich abwenden, ehe sie ihn überhaupt kennen gelernt haben, eben weil er ihnen zu schwierig erscheint.
Jesus hat übrigens geradezu heitere Vergleiche gebraucht, um Menschen zum Vertrauen auf Gott einzuladen. Er erzählt zum Beispiel von einem armen Landarbeiter, der plötzlich mit seiner Hacke auf einen Schatz stößt, voller Freude losrennt und alles verkauft, was er hat, um den Acker mitsamt dem verborgenen Schatz zu erwerben. Ich sehe ihn und seine Familie vor Freude tanzen. Jesus will sagen: So ist es, wenn ein Mensch Gott findet und dabei das Leben ganz neu entdeckt.
Aufforderung zum Tanz. Die Musik kommt von außen, sie kommt aus heiterem Himmel und verlockt uns. Andere sind schon vor uns auf der Fläche, wir dürfen uns ihnen zugesellen und dabei sein, wenn sich Freude ausbreitet, wenn sich die Herzen verändern. So meint es Jesus mit der Aufforderung zum Glauben, zur Teilnahme am Reich Gottes, der Erneuerung unseres Lebens und aller Dinge durch Gott. Gewiss, niemand kann sich selbst zum Glauben bringen, dabei käme nur Krampf heraus. Aber wenn die Musik des Evangeliums aufspielt, diese höchst erfreuliche und befreiende Nachricht, dass Gottes Liebe in Jesus Christus Gestalt angenommen hat und uns ganz nahe gekommen ist, dann kann es gelingen, dass einer zu glauben beginnt. Ich möchte glauben können, ein Seufzer, den viel mehr Menschen kennen, als wir ahnen. Es kann gelingen; nicht nur älter gewordene Menschen, gerade auch junge oder in der Mitte des Lebens stehende Frauen und Männer berichten davon, dass sie von der Melodie des Glaubens erfasst wurden. Der unverwechselbare Klang der Frohen Botschaft kann uns in einem Gespräch, beim Lesen eines Buches, beim Ansehen eines Films und gewiss auch in einem Gottesdienst erreichen und in Freude versetzen. Ganz wichtig scheint mir zu sein, dass wir diese Erfahrung zusammen mit anderen suchen und dann mit ihnen teilen. Auch hier ist es wie beim Tanz, allein macht der Glaube auf Dauer kaum Spaß. Es ist einfach schön, dass ich zur Gemeinde Jesu Christi gehören darf. Dort kann ich den Glauben zusammen mit anderen immer besser kennen‑ und ihn leben lernen.
Johannes Hansen