Atemholen Nr. 590
4. Februar 2018

Gibt es so etwas überhaupt? Und wenn, handelt es sich da nicht eher um Sentimentalität? Vorsicht, nicht jedes Gefühl ist nur heiße Luft. Was spricht dagegen, dass solche Empfindungen tief in unserer Seele wohnen? Mit Seele meine ich nicht nur die Psyche, von der die Psychologen sprechen, sondern das absolut Innerste in uns, das sich in langen Jahren verborgen entwickelt hat und nun seine Wege in unser Fühlen und Denken sucht. „Lobe den Herrn, meine Seele und was in mir ist, seinen heiligen Namen.“ So betet ein Psalm. „Was in mir ist“ ist, meint mehr als der Begriff „Psyche“ erfasst. Seele bin ich, meine Existenz mit ihrem gesamten Umfeld. So wie ich auch Leib bin, nicht nur einen Leib. Ich bin es selbst. Kein messbares Organ, doch in einem Menschen ist bildhaft gesprochen ein tiefes Meer, in dem das ganze Leben rauscht und manchmal auch tobt.
»Ich will von Gott reden wie von einem Menschen, den ich lieb habe«. Der Satz gefällt mir. Du da oben, darf ich so intim zu Dir sein? Ich weiß schon, Du kennst mich durch und durch. Aber Du bist so weit weg, so verhüllt, so dunkel. Du machst mir manchmal Angst. Ich würde Dich gern umarmen, Dich ganz nahe wissen, Dir etwas ins Ohr sagen. Aber wenn ich höre, wie sie dich in den Kirchen verehren, traue ich mich nicht mehr. Du bist so feierlich. Bist Du so? Sollte ich höflichkeitshalber Sie sagen?