Atemholen Nr. 687
2. August 2020

Er wollte weg, einfach nur weg. Weg vom Hof des Vaters. Weg von der öden Alltagsarbeit in den Ställen und auf den ausgetrockneten Äckern. Es musste doch noch was anderes geben, dachte er. Was ist hinter dem Horizont, träumte er, wenn am Morgen die Sonne aufging. Der ältere Bruder, dieser Langweiler, sollte nur zu Hause bleiben. Da ging er, der Jüngere zum Vater und forderte seinen Teil des Erbes. Der Vater erschrak, doch blieb er souverän und teilte das Erbe schon vor der Zeit für seine Söhne. Ein überraschendes Verhalten in einer patriarchalischen Kultur. Ein jäher Abschied des Sohnes noch vor der Nacht und ab in die Ferne. Er überschritt Grenzen, immer neue Grenzen in sich und geographisch in die Fremde. Er lebte wie er wollte, zog um die Häuser, aß und trank, was ihm schmeckte. Nicht allein, er lud sie ein, die jungen Männer und die jungen Frauen. Ja, die jungen Frauen, man lachte und liebte und tat, was die Sinne mochten, eine lustige Zeit schien es zu sein. Doch dann wurde das Geld knapp, sein Erbe war bald dahin. Als er es merkte, war es schon zu spät. Dann auch noch eine Hungersnot im ganzen Land. Nun bettelte er um Arbeit und Lohn. Jemand ließ ihn seine Schweine hüten, es muss im Ausland gewesen sein. Schweine, das waren unreine Tiere in seiner Heimat. Doch er musste doch essen und trinken. So lag er auf dem Feld bei den Schweinen. Da roch es nach Ammoniak, nicht nach Deodorant. Und er aß den Fraß der Schweine.
Mein Herz denkt an dein Wort: "Sucht mein Angesicht!" Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. (Psalm 27,8)