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Chance für einen Zweifler
Johannes 20, 19-31
Die Berichte der Evangelien über die Begegnungen mit dem auferstanden Jesus sind in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich: Das Ereignis der Auferstehung selbst wird mit keinem Wort erwähnt. Es gibt dafür keine Zeugen. Darum wäre es müßig, über das Wann und Wie zu spekulieren. Die Ersten, die dem Auferstandenen am Morgen des dritten Tages nach seiner Kreuzigung am Grab begegnen, sind Frauen: Sie sind aus Pietät gekommen, um seinen Leichnam zu salben. Auch das ist ungewöhnlich: Frauen werden die ersten Zeuginnen, dass Jesus auferstanden ist und lebt! Dabei dürfen sie nach jüdischem Recht nicht einmal als Zeuginnen vor Gericht auftreten.
Die Evangelien spiegeln ein realistisches Bild vom tatsächlichen Geschehen. Während die Frauen nach der wunderbaren Begegnung mit dem Auferstandenen überwältigt zu den Jüngern zurückkehren, finden sie bei den Männern für ihr Zeugnis keinerlei Glauben. Und selbst am Abend des Auferstehungstages werden die Jünger noch von der Furcht beherrscht, dass ihnen womöglich auch Verhaftung und Tod drohen. So erscheint ihnen Jesus durch die verschlossenen Türen hindurch, gibt sich mit seinen durchbohrten Händen als der Gekreuzigte zu erkennen und überwindet so die Furcht der Jünger: „Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen“ (Vers 20).
Als sie Thomas, der bei dieser denkwürdigen Begegnung mit dem Auferstandener nicht anwesend war, davon erzählen, kann dieser es immer noch nicht glauben. Er will handfeste Beweise; ihm reicht das bloße Zeugnis seiner Freunde nicht aus.
Und das Erstaunliche geschieht: Jesus lässt sich darauf ein - und so bekommt selbst der hartnäckige Zweifler Thomas seine Chance. Er darf Jesus mit eigenen Händen berühren, um sich davon zu überzeugen, dass der Auferstandene weder ein Gespenst noch eine Einbildung ist.
Für Thomas ist diese unerwartete Begegnung mit Jesus so überwältigend, dass er nur noch stammeln kann: Mein Herr und mein Gott! (Vers 28). Das zweimalige „Mein“ in diesem Bekenntnis zeigt: Es geht nicht um die Feststellung eines objektiven Tatbestandes, sondern um eine ganz persönliche Vergewisserung und Heilsaneignung.
Text aus: Klaus Jürgen Diehl, In 99 Tagen durch die Bibel, © Brunnen-Verlag
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers. Gemälde Kristina Dittert © 2011