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Zaghafter Glaube
Markus 9,14-29
Manche Wundergeschichte des Neuen Testaments erscheint uns fremd und sonderbar. So auch diese. Denn dass da ein Junge von einem sprachlosen Geist (Vers 17, vgl. auch Vers 25) besessen ist, also offenbar von Dämonen heimgesucht wird, können wir als aufgeklärte Menschen nur schwer nachvollziehen. In unserer vernunftorientierten Zeit ist für Geister- und Dämonenvorstellungen nur noch im Horrorvideo Platz. Wer heute noch Exorzismus (= Teufels- bzw. Geisteraustreibung) praktiziert, wie Jesus es etwa getan hat, wird rasch der Schwärmerei oder des Aberglaubens verdächtigt. Doch lassen sich böse, Leben zerstörende Mächte nicht einfach wegrationalisieren.
Bis in unsere Tage hinein gibt es Phänomene von Besessenheit, die sich weder pathologisch noch psychologisch erklären Lassen. Allerdings lassen Einzelheiten der von Markus erzählten Heilungsgeschichte zu, die Krankheit des Jungen als schwere Form von Epilepsie zu deuten: Immer wieder stürzt das Kind zu Boden, seine Glieder verkrampfen, Schaum tritt vor den Mund. Der Vater des Kindes ist verzweifelt. Nichts lässt er unversucht, um irgendwie seinem Sohn doch noch helfen zu können. Selbst die Jünger Jesu hat er konsultiert, doch auch sie waren ohnmächtig gegenüber dem Leid des Kindes. Schließlich wird der Junge - auf Jesu Aufforderung hin - zu ihm gebracht. Wie persönlich Jesus sich jedem einzelnen Menschen zuwendet, macht auch diese Geschichte deutlich: Zunächst interessiert sich Jesus für die Krankheitsgeschichte des Jungen und lässt sich vom Vater dazu Einzelheiten erzählen. Durch eine Bemerkung des Vaters ausgelöst- „Wenn du aber etwas kannst...“ (Vers 22) -, kommt Jesus auf dessen ganz persönliche Not zu sprechen: In seiner Verzweiflung fällt es ihm immer schwerer, überhaupt noch an ein Wunder zu glauben. Mit seiner Bemerkung „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!“ (Vers 23) rührt Jesus genau an diese seelische Wunde des Mannes. Unvermittelt bricht es aus ihm heraus: „Ich möchte ja glauben! Hilf mir, dass ich glauben kann!“ (Vers 24).
Mit dem anschließenden Wunder vollbringt Jesus nicht nur die Heilung an dem epileptischen Jungen. Zugleich heilt er dessen Vater von seiner Verzweiflung und hilft ihm damit zum Glauben. Wieder liegen in dieser Geschichte Heil und Heilung nahe beieinander: Widerfährt dem Jungen Heilung von seiner schweren Krankheit, so dem Vater Heil, weil er an Jesus glauben lernt.
Text aus: Klaus Jürgen Diehl, In 99 Tagen durch die Bibel, © Brunnen-Verlag
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers. Gemälde Kristina Dittert © 2011