Ich kenne
den Weg.
— Gott

Wo ist Gott in der Krise?

Wo ist Gott, wenn das Leben schiefläuft? Wo ist Gott in Krisen, Pandemien, Kriegen und Katastrophen? Ist er da? Leidet er mit? Kann er helfen? Kennt er den Weg aus der Krise?

Wenn du auf die Welt, die Gesellschaft oder deine Situation schaust, siehst du schwarz?

Wie blickst du auf Krisen, Schwierigkeiten und Probleme? Wer oder was gibt dir Hoffnung und Perspektive?

 

Denn ich bin gewiss,
dass weder ein Virus
noch eine andere Krankheit,
weder Langeweile oder Einsamkeit,
weder soziale Distanz
noch Kurzarbeit,
weder drohende Insolvenz
noch kräftezehrendes Homeschooling,
weder fehlendes Klopapier
noch Fakenews auf Facebook,
weder große Krisen, Angst,
Zweifel oder selbst der Tod
mich trennen können
von der Liebe Gottes!

Andi Weiss, frei nach Die Bibel: Paulus im Brief an die Römer, achtes Kapitel

Ist Gott auch in der Krise da?

Heiko Metz im Interview mit Andi Weiss während der Corona-Pandemie

Lieber Andi, du hast Verse aus der Bibel genommen und sie auf heutige Krisenerfahrungen umgeschrieben. Daraus ist ein starker, Mut machender Text geworden– aber glaubst du das tatsächlich? Kann uns wirklich nichts von Gottes Liebe trennen?

Diese Worte von Paulus waren in meinem Leben immer der letzte Strohhalm, an den ich mich selbst klammern konnte. Er holt mich dort ab, wo ich mich einsam und verlassen fühle. Dann, wenn scheinbar gar nichts mehr geht, dann kann ich mich zumindest noch darauf verlassen, dass ich nicht tiefer fallen kann als in Gottes gute Hände.

Aber wie kann ich denn in einer Krise mit viel Leid und Unsicherheit noch von Gottes Liebe reden? Lässt sich diese Liebe trotz Krise erleben?

Ich glaube, an vielen Stellen unseres Lebens geht es um viel existentiellere Themen, als wir denken. Da geht es gar nicht um die Frage, wieviel Geld ich verdiene oder ob ich systemrelevant bin. Da geht es um die große Frage der Identität. Der Zuspruch und die Gewissheit, dass mich nichts von Gottes Liebe trennen kann, ist ein Wissen über dieses begrenzte Leben hinaus.

Aber diese Krise stellt natürlich auch mein Gottesbild in Frage. Als ich vor vielen Jahren in einer Kirchengemeinde meinen Dienst in meinem damaligen Beruf als evangelischer Diakon begonnen hatte, führte mich meine Arbeit an Sterbebetten und Gräber. Menschen, die fest daran geglaubt und dafür gebetet hatten, dass sie wieder gesund werden, sind trotzdem gestorben. Das hat damals die Grundfesten meines Glaubens erschüttert. In dieser Zeit bin ich auf einen Text von Dietrich Bonhoeffer gestoßen, in dem er betont, dass Gott in Jesus freiwillig ohnmächtig wird und somit bei uns ist und mit uns mitleidet in dieser Welt.

Wenn uns Leid widerfährt, dann stellen wir schnell die Frage nach der Schuld. Dieser Text zeigt mir ein ganz anderes Bild von Gott, der mir seine Nähe schenkt – mitten in der Dunkelheit. Plötzlich hängt Gesundheit nicht mehr am Wohlwollen Gottes oder von meiner Frömmigkeit ab. Nein, da passiert Leben in der ganzen Bandbreite. Vollgepackt mit Freud und Leid. Und in all dem bin ich trotzdem nicht allein. Das erlebe ich.

Mal was ganz anderes: Darf man das eigentlich machen, was du da gemacht hast? Darf mal die Bibel einfach so auf die heutige Zeit anwenden? Will die Bibel wirklich heute so direkt in unser Leben sprechen?

Auf jeden Fall! Das Schöne an der Bibel ist ja, dass sie kein vom Himmel gefallener Backstein ist, sondern gelebtes Leben und erlebter Glaube. Man würde den Geschichten und den Protagonisten nicht gerecht werden, wenn man das nur ehrfürchtig in der dortigen Zeit oder im Bücherregal belassen würde. Luther hat mal gesagt, die Bibel ist wie ein Kräutlein, das gerieben werden will, damit es zu duften beginnt. Indem ich diese alten Zusagen in die heutige Zeit hole, reibe ich das Kräutlein in meinen Alltag hinein, damit es seine heilsame Wirkung entfalten kann.

Eine deiner CDs trägt den Titel: „Gib alles, nur nicht auf“. Steckt da dieselbe persönliche Erfahrung dahinter wie hinter den aktualisierten Bibelversen?

Im Januar 2020 habe ich mein neues Konzertprogramm mit dem Titel „Gib alles, nur nicht auf“ bei zwei großen Konzerten in München vorgestellt und dann sollte es auf Tour gehen. Dann kam der März und meine Terminplanung platzte. Seitdem spiele ich Onlinekonzerte. Daraus hat sich eine offene, einander tragende Community entwickelt.

Und ich berate und begleite gerade sehr viele Menschen – meistens am Telefon – durch diese Krise. Ja! Ich darf weiter meine Herzleidenschaft teilen – nur auf ganz anderen Wegen. Und darum geht es doch. Nach diesem Jahr glaube ich noch fester denn je: Nichts kann mich trennen von Gottes Liebe!

Was kann uns denn in der Krise konkret Mut und Hoffnung machen, nicht aufzugeben?

Als Christ glaube ich fest an die Kraft von Gottes Zuspruch und Anspruch an den Menschen. Das ist dieses tiefe Wissen: Ich bin geliebt, ich bin gewollt und ich bin nicht allein. Mitten im dunklen Tal weiß ich um Gottes Nähe und Beistand. Und ich darf darüber hinaus Verantwortung für mein Leben und auch für meine Krise übernehmen.

So ist Leben trotzdem möglich. Ich brauche die Schuld nicht bei anderen Menschen, bei mir oder bei Gott zu suchen. Sondern ich darf die Krise als Herausforderung annehmen. So komme ich weg von der Überzeugung, dass ich ein Opfer bin, und darf der Held meiner eigenen Lebensgeschichte werden.

Im Konzentrationslager in Buchenwald wurden zwei Häftlinge beauftragt, ein Lied über das Lager zu schreiben. Daraus wurde später die berühmte „Buchenwald-Hymne“. Da heißt es: „Halte Schritt, Kamerad, und verlier nicht den Mut, denn wir tragen den Willen zum Leben im Blut und im Herzen, im Herzen den Glauben!“ Und später im Refrain: „O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen, und was auch unser Schicksal sei – wir wollen trotzdem Ja zum Leben sagen, denn einmal kommt der Tag – dann sind wir frei!“ Diese Erkenntnis gibt jedem Menschen einen Wert über dieses begrenzte Leben hinaus.

In der Bibel heißt es, Gott wird einmal alle Tränen von unseren Augen abwischen. Und dann gibt es kein Leid mehr und keine Tränen. Dann ist alles neu. Wenn das stimmt, dann bedeutet es tatsächlich, dass wir mehr sind als unsere Krisen, unsere Krankheit, unser Körper, unsere Geschichte und unsere Traurigkeit. Aber auch mehr als unsere Erfolge und Niederlagen, mehr als Freude und Leid, mehr als unsere Begabungen.

Vielen Dank für das inspirierende Gespräch!

Mehr Informationen zu Andi Weiss, seinen CDs, Büchern und vielem mehr gibt es unter www.andi-weiss.de.